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Jenseits der Notlage – Berlins Zukunft im Blick

von Jochen Esser (finanzpolitischer Sprecher) und Ramona Pop (Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen Berlin)

Berlin befindet sich nicht mehr in einer Haushaltsnotlage. Das hat der Stabilitätsrat 2012 festgestellt und 2013 erneut bestätigt. Auf der Ausgabenseite war die von allen Berliner Parteien getragene Sanierungsstrategie der letzten 10 Jahre erfolgreich. Die gute Einnahmesituation verdanken wir der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und der Tatsache, dass in Berlin endlich ein wirtschaftlicher Aufholprozess eingesetzt hat.

Es gibt wieder Gestaltungsräume, die es klug zu nutzen gilt. Die Primärausgaben können in Zukunft mindestens mit der Inflationsrate wachsen. Danach verbleibende Überschüsse können bis zum Ende des Jahrzehnts für investive Sonderausgaben verwendet werden. Im laufenden Jahr erwartet die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Überschuss von 700 Millionen Euro, für 2014 und 2015 sehen wir einen Überschuss in ähnlicher Höhe. Endgültige Klarheit wird die Steuerschätzung am 7. November bringen. Dann kommt die Stunde der Wahrheit und mit ihr das Ende von Nußbaums Haushaltstricks.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert, dass über die Verwendung der erwarteten Überschüsse von rund zwei Milliarden Euro vom Abgeordnetenhaus demokratisch entschieden wird. Es darf nicht sein, dass der Finanzsenator das Geld selbstherrlich und ohne Diskussion im Schuldenberg oder im Milliardengrab des BER verschwinden lässt.

DIE ERFAHRUNG RÄT ZUR VORSICHT
Aus der Zeit der Haushaltsnotlage sollten wir alle gelernt haben, nicht wieder Großträumereien nachzujagen, die im Katzenjammer enden. Anders als in den 90er Jahren sollten wir maßvoll und überlegt in Berlins Zukunft investieren. Und wir dürfen auf keinen Fall erneut zulassen, dass die Landesunternehmen politisch überfrachtet und zum Milliardengrab werden.

Auch die ausstehende Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden mahnt zur Vorsicht. Wie es ab 2020 weiter geht, kann im Augenblick niemand sagen.

Die Verhandlungen zu den Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bieten neben Risiken auch Chancen. Sollte Berlin bei der Neuaushandlung der Finanzbeziehungen jedoch größere Einbußen erleiden, kommt auf den Haushalt ein erneuter Konsolidierungsdruck zu.

DER GRÜNE HAUSHALTSPLAN: INVESTITIONEN IN DIE ZUKUNFT
Die finanzpolitische Debatte muss heraus den Hinterzimmern, in denen eine zerstrittene SPD mit der CDU immer neue faule großkoalitionäre Kompromisse schließt. Zu dieser Diskussion wollen wir einen Beitrag leisten, indem wir den möglichen Verteilungsspielraum ausweisen, die Reserven des Finanzsenators aufdecken und die wichtigsten Aufgaben für die nächsten Jahre skizzieren.

1. Wir wollen stärker in den Erhalt der städtischen Infrastruktur investieren. Der Senat muss aufhören, Berlins Straßen, öffentliche Verkehrsmittel und Gebäude auf Verschleiß zu fahren und die erforderlichen Unterhaltsmittel als Sparbüchse zu missbrauchen. Im Grünen Haushaltsplan sind rund 200 Mio. Euro für die Sanierung von Schulen, Kitas, Universitäten und Verwaltungsgebäuden, für Bäder, Straßen, Radverkehr und die U-Bahn vorgesehen. Städtische Infrastruktur und deren Erhalt hat für uns eindeutigen Vorrang vor Neubau.

2. Die Koalition hat auf dem Papier ein Stadtwerk beschlossen, das seinen Namen nicht verdient. Dezentrale Energieerzeugung, Reduktion des Verbrauchs und energetische Sanierung des Gebäudebestands sind immer noch Fremdwörter für Rot-Schwarz. Dabei schaut die ganze Welt darauf, ob Deutschland es schafft, aus der Atomenergie auszusteigen und zugleich den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu drosseln. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat im Sommer einen Investitionsplan des Stadtwerks im Volumen von rund 450 Millionen Euro beschlossen, für den in den nächsten zwei Jahren Haushaltsmittel in Höhe von 60 Mio. Euro bereit gestellt werden sollen.

3. Es muss in Berlin wieder einen sozialen Wohnungsbau geben wie in allen anderen deutschen Städten auch. Die Mietentwicklung in der Stadt lässt gar keine andere Wahl. Deshalb hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Fonds für soziale Wohnungspolitik mit einem Volumen von 650 Millionen Euro beschlossen, mit dem öffentliche und private Investitionen von rund 3,5 Milliarden Euro angeschoben werden können. Im Doppelhaushalt 2014/2015 sieht der grüne Haushaltsplan Landesmittel von 150 Mio. Euro für den sozialen Wohnungsbau und studentisches Wohnen vor.

4. Der Rückkauf der Wasserbetriebe verlangt eine seriöse Finanzierung mit Eigenkapital aus Haushaltsmitteln, wenn die Wasser- und Abwasserpreise sinken sollen, ohne die nächste Generation mit den Kosten des Rückkaufs zu belasten. Heuschreckenfinanzierung à la Wowereit – der Kauf kann „aus der Rendite des Unternehmens finanziert werden“- lehnen wir ab. 400 Mio. Euro aus dem Haushalt 2013 und in der Folge eine geringere Kreditfinanzierung wären für eine bürgerfreundliche und generationengerechte Lösung des Problems ideal. Dieses Geld darf auf keinen Fall vom Bruchpiloten Wowereit am Parlament vorbei in die BER-Rücklage verschoben werden.

5. Die in der Not abgesenkten Gehälter der Beschäftigten im öffentlichen Dienst Berlins müssen wieder an das in Deutschland übliche Niveau herangeführt werden. Dieses Versprechen einzuhalten, sind alle Parteien den Beschäftigten schuldig. Die Berliner Beamten fordern zu Recht Gleichbehandlung mit den Angestellten und einen verlässlichen Angleichungspfad bis 2017. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will in einem ersten Schritt die Gehälter in den beiden nächsten Jahren um 3,0% statt der geplanten 2,5% anheben. Die damit verbundenen Kosten belaufen sich auf 31 Millionen Euro pro Jahr.

6. In den Einzelplänen beantragt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen konsumtive Mehrausgaben von rund 60 Millionen Euro, die wir komplett durch Kürzungen an anderer Stelle gegenfinanzieren. Darunter finden sich 25 Millionen Euro für die Bezirke, 10 Millionen zur Förderung der freien Kulturszene, 7 Millionen Euro für die schulische und berufliche Bildung und 5 Millionen für die Förderung des Tourismus aus der City Tax (Näheres Siehe Anlage).
    
UNSERIÖSE PR ODER EHRLICHE HAUSHALTSPLANUNG?
Am 18.1.2013 erklärte Senator Nußbaum zum Doppelhaushalt 2014/2015 in der Berliner Zeitung: „Wir werden die Ausgaben nicht erweitern können.“ Das war mal wieder ein typischer Nußbaum.

Tatsächlich steigen die Ausgaben des Senatsentwurfs ohne Risikoabschirmung (berlinovo) und BER gegenüber 2013 um gut 800 Millionen Euro auf 22,9 Milliarden Euro. Mit den erwarteten Änderungsanträgen der Koalition werden es mehr als 23 Milliarden Euro sein.

Zu den berüchtigten 0,3 Prozent wollten wir eigentlich nichts mehr sagen. Aber weil sie immer wieder wahrheitswidrig aufgewärmt werden, weisen wir darauf hin, dass die Ausgaben seit Nußbaums Amtsantritt 2009 im Schnitt um knapp 1,5 Prozent pro Jahr gestiegen sind. Und so geht es auch weiter.

Ebenso typisch für Nußbaums Haushaltspläne ist, dass auf der Einnahmeseite rund 700 Millionen Euro unterschlagen sind. Mindestens 500 Millionen Euro bei den Steuern und etwa 200 Millionen Euro bei den sonstigen Einnahmen.

Wir Grüne versuchen eine ehrliche Haushaltsplanung vorzunehmen, soweit dies aus der Opposition möglich ist. Insbesondere die Einnahmeerwartungen sind sehr vorsichtig kalkuliert.

Grüne Haushaltspolitik in Zahlen

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